Samstag, 24. Januar 2009
 
Stasi-Methoden in Österreich PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von ARGE Daten   
Montag, 5. November 2007

Die Warnung des Verfassungsgerichtshofspräsidenten Karl Korinek vor einem Überwachungsstaat wird am Beispiel einer Österreicherin drastisch bestätigt. Die Frau war offenbar schon jahrelang im Überwachungsvisier. Ziel sind Personen mit politisch unerwünschten Meinungen. Gleichzeitig herrscht offenbar Datenchaos beim BVT (Bundesamt für Verfassungsschutz) und im Innenministerium bei der Auftragsvergabe zur Bearbeitung brisanter Verfassungsschutzakten.


Überwachungsfall Helga X.(*)


Most Wanted - Zielperson: weiblich, älter als 60 Jahre, ca 1.70 groß, Inländerin, Trägerin des Silbernen Ehrenzeichens der Republik, Mitarbeiterin oder ehemalige Mitarbeiterin einer jüdischen Einrichtung, verheiratet mit Mann mit Immigrationshintergrund; politische Aktivitäten: sucht Kontakt mit Politiker der ersten Reihe; Interessen: Nahost, Irak, Islam, Auschwitz; sonstige bekannte Hobbys: Lesen, Wandern

Anordnung des Innenministeriums: Laufende Überwachung und Aufzeichnung politischer Meinungsäußerung, Besuche von Veranstaltungen mit religiösem oder ethnischen Hintergrund, Kontrolle der Reisetätigkeit und Anwesenheiten bei Demonstrationen erforderlich.

Geheimhaltungsstufe: XXXX, Datenweitergabe an INTERPOL und ausländische Geheimdienste empfohlen

Stasi-Methoden schon österreichische Realität

Was sich als billig erfundene "Raubersg'schicht" aus einem totalitären Stasi-Staat liest ist das Zwischenergebnis längerer Recherchen um eine verdiente Frau, mitten in Österreich.

Aufgefallen ist die Sache erstmals, als diese Frau eine vom Außenministerium organisierte und allgemein zugängliche Islam-Konferenz besuchen wollte. Anders als andere Teilnehmer wurde sie diskret zur Seite gebeten und einem Sicherheitscheck unterzogen. Hellhörig geworden versucht nun Herta X.(*) zu erfahren, welcher Sicherheitsdienst welche Daten über sie sammelt.

Nur bruchstückhaft ist es bisher gelungen Informationen über den Überwachungsumfang zu erhalten. Bei vielen Details wird eine Auskunft durch das Innenministerium verweigert.

Anfragen zu den Daten aus der "Erkennungsdienstlichen Evidenz" ergaben: "Keine der Auskunftspflicht unterliegenden Daten verwendet". Gleiches beim "Fingerabdrucksystem", bei der "DNA-Datenbank", beim "Nationalen Schengener Informationssystem", bei "SIRENE - Supplementary Information Request at the National Entry" usw. usf.

"Keine der Auskunftspflicht unterliegenden Daten verwendet", eine BMI-Auskunft über die viele Bürger wohl glücklich wären. Nicht so Helga X.(*), ein paar Daten werden doch beauskunftet, aber nur unvollständig, handelt es sich doch um die Verschlussache mit Aktennummer 9/***/2-II/BVT/2/07.

Damit erhält die Formulierung "Keine der Auskunftspflicht unterliegenden Daten verwendet" einen ganz anderen Stellenwert: "Wir haben etwas über dich, aber du bist zu gefährlich, als dass wir es dir sagen", ist offenbar die Botschaft.

Überwachung offenbar politisch motiviert

Konkrete Verdachtsmomente gegen die Frau gibt es keine, sie scheint sich nur mit Themen zu beschäftigen, die politisch nicht erwünscht sind. Welche abstrusen Wahnvorstellungen das Innenministerium zur Überwachung motivierten ist noch nicht aufgeklärt.

Es kann daher nur spekuliert werden, was diese Frau verdächtig gemacht hat. Der frühe Besuch in Auschwitz? Die Ehe mit einem Zuwanderer? Die Arbeit bei einer jüdischen Einrichtung? Die Teilnahme an einer Anti-Bush-Demo?

Fest steht, dass das Silberne Ehrenkreuz der Republik Österreich - noch - nicht aberkannt wurde, aber vielleicht wird die Trägerin es bald zurücklegen müssen, aus Scham in einem derartigen Überwachungsstaat zu leben.

Datenchaos beim Bundesamt für Verfassungsschutz

Die wenigen Daten die bekannt gegeben werden, offenbaren zusätzlich noch ein ziemliches Datenchaos bei Bundesamt und Innenministerium. Da werden munter, getarnt als "Amtshilfe" und in James Bond-Manier, Daten an Interpol Warschau, Bratislava, Toronto und Canberra verschickt. Bei Nachfragen wird dann vom BMI eingeschränkt: "Interpol Warschau ja, bei Toronto und Canberra nein, das habe man mit einer anderen Person verwechselt."

Aufbewahrt werden die Daten bis zum Jahr 2044, offenbar schätzt man hundertjährige Frauen als besonders terrorismusaktiv ein. Gleichzeitig wird aber eingestanden, dass "eine CD-ROM" mit Daten aus dem Jahr 2006 von sicherheitsgefährdenden Personen, zu der auch Herta X.(*) gezählt wird, im "Bereich des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terroismusbekämpfung nicht aufgefunden wurde", auf gut deutsch, verloren gegangen ist.

BMI-Dienstleister wenig zuverlässig

Wenig Glück dürfte das BMI auch bei der Auswahl von Dienstleistern haben. Mit der EDV-Betreuung der hochbrisanten Terrorismus-Akten wurden drei Unternehmen betraut (Flumen Business, ProCom Strasser und ICODEX Software). Im Zuge dieser Tätigkeit haben die Mitarbeiter letztlich Zugang zu hochgeheimen und für die Sicherheit des Staates entscheidende Akten. Die Mitarbeiter der Unternehmen wurden zwar, wie das BMI treuherzig versichert, "sicherheitsüberprüft", sich darum zu kümmern, ob diese Firmen auch wirtschaftlich in der Lage sind, derartige Aufträge umzusetzen, wurde "leider" vergessen. Zwei der drei Firmen sind mittlerweile im Konkurs.

Es ist ein Gemeinplatz, dass konkursgefährdete Unternehmen ganz besonders in Versuchung geraten können Wissen, über ihre Kunden doch noch gewinnbringend zu vermarkten. Und was wäre wohl lukrativer als der Handel mit den Staatsgeheimnissen Österreichs?

Rasches Handeln gefordert

Gefordert ist der Gesetzgeber. Statt der Chaostruppe BVT sollten rechtsstaatliche Mittel zur Terrorismusbekämpfung eingesetzt werden. Es ist selbstverständlich möglich, echte Bedrohungen und Gefährdungen durch Terrorismus und organisierte Kriminalität mit grundrechtlich korrekten Methoden zu bekämpfen. Dazu ist es "bloß" notwendig, präzise Gesetze mit detaillierten Ermächtigungen und einer strengen, mehrstufigen Kontrolle durch Gerichte, unabhängige Aufsichtsstellen und parlamentarische Gremien zu schaffen.

Allerweltsermächtigungen, wie sie derzeit das Sicherheitspolizeigesetz zur "erweiterten Gefahrenerforschung" vorsieht und einem im Haus als Feigenblatt agierenden "Rechtsschutzbeauftragten" reichen sicher nicht aus. Mit der unbestimmten Formulierung der "erweiterten Gefahrenerforschung" wurde vor einigen Jahren das Tor zur Überwachung jeder beliebigen Person geschaffen, den jede Person kann ja einmal Täter, Opfer oder sonstiger Beteiligter an einer Straftat sein.

Diese überschießenden Ermächtigungen der Polizei werden nun von Jahr zu Jahr intensiver, unverschämter und ineffizienter genutzt.


(*) Name geändert



mehr -->

www2.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGEDATEN&s=78115gwe

Archiv -->

www2.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGEDATEN&s=91782erl

www2.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGEDATEN&s=41207lzl

www2.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGEDATEN&s=11034wll

andere -->

www.bmi.gv.at/staatsschutz/

< zurück   weiter >